18. Jahrhundert

In diesem Schießhaus werden Kleinode aufbewahrt, die für Eppan von großem Werte sind. Unter den Zimelien verdient besondere Erwähnung die historische alte Fahne, gebraucht in den Kriegsjahren 1703 und in den Befreiungskriegen von 1796 bis 1809, mit dem mächtigen roten Tiroler Adler mit schwebendem Kranze im Fahnenbild. Sie ist eine Streifenfahne in grün-weiß-grünen Farben und wurde von der Familie von Rosenberg gestiftet. Die Rosenberg waren eine reiche Meraner Adelsfamilie angeblich mit einem Schuss Habsburger Blut in den Adern seit Maximilian III., dem Deutschmeister. Diese Fahne ist mit den Eppaner Schützen im Jahre 1703 bei Sterzing und am Brenner gegen die Bayern ausgerückt und gegen die französischen Vorhuten des Generals Vendome bei Lavis an der Avisio-Brücke. Im Jahre 1733 am 7. November und am 24. Jänner 1735 rückte sie nach den „wälschen Confinen“ unter Hauptmann Josef von Lanser aus. 1796 ruckt sie mit Hauptmann Philipp von Welser aus und steht nach dem Ehrenprotokoll) Nr. 5871 am 26. September 1796 bei Faedo dem Feinde gegenüber; am 22. Oktober zeichnen sich die Eppaner Schützen bei der Einnahme von Schloss und Dorf Segonzano aus. In den Abwehrkämpfen nach der Schlacht von Rivoli am 14. Jänner 1797 stehen am 6. Februar die Eppaner Schützen mit ihrer Fahne unter Hauptmann Grueber bei Mezzolombardo den Franzosen gegenüber und greifen bei Zambana unter Hauptmann von Strohmer entscheidend in den Kampf ein und werden im Korpskommandobefehl des österreichischen Generals von Lipthay besonders belobigend hervorgehoben. Im Jahre 1809 rückte diese ehrwürdige Fahne unter verschiedenen Hauptleuten aus, wie Anton von Mörl, Josef von Schulthaus, Karl Flor, Johann Niedermayr am See, Johann Veith, Anton Gruber, Bartlmä von Avanzini, Josef Philipp von Welser, Anton Zeiner und Aldobrand von Stanchina, und nimmt an den Kämpfen bei Buco di Vela, an der San-Lorenzo-Brücke, bei Serravalle und bei Trientteil. Die Verluste der Eppaner waren in den Berfreiungskriegen verhältnismäßig gering. In den Lazaretten von Verona starben 1799 an den im Kriege erhaltenen Verwundungen folgende Schützen aus Eppan: Matthias Stein von St. Pauls, 50 Jahre alt; Michael Madscheider, 22 Jahre alt; Jakob Ochsenreiter, 22 Jahre alt, und Matthias Langer, 31 Jahre alt, während als einziger Eppaner der Knecht Simon Mayr von Girlan bei Alle Laste am 30. April 1809 den Heldentod fand. Dazu bemerkt der Schützenhauptmann Johann Niedermayr am See in seinem Hausbuch: „Der erste Aufstand war den 9. April 1809. Da brachen die ersten die Passeirer auf, hernach alle umliegenden Täler und machten Angriff mit dem bayerischen Militär, welches in Bozen und Innsbruck und was noch in den anderen Städten war, und räumten das Tirol in kurzer Zeit bis Trient. In Trient waren Franzosen und Italiener, welche in der Stadt eingeschlossen waren. Da waren Österreicher Soldaten gekommen mit etwas Kavallerie und ein wenig Geschütz, und alle Örter bis Meran mussten mit Landsturm ausbrechen.
Da bin ich mit ausgezogen, und ein jeder, der gehen konnte, musste gehen. Wir von Girlan sind mit Harmonie Musik mitgezogen unter dem Hauptmann Herrn von Stankina, welcher ganz Eppan kommandiert hat. Es werden von ganz Eppan bei 600 Mann ausgerückt sein. Den ersten Tag sind wir bis Kaltern gezogen, von Kaltern bis Welschmetz und Zambana. Von dorten sind wir über das Gebirg hinauf und Terlago zu. Da waren die Franzosen, das mussten die Franzosen gesehen haben, sind sie durch den Buco di Vela hinunter und gegen Trient gezogen. Da haben sie die Franzosen im Tal gehalten und sind etwas von den Unsrigen geblieben (= gefallen), wo auch einer von Girlan war, Simon Meyr und Franzosen sind viele geblieben. Man hat sie mit Steinen hinunter lassen und mit Geschoß in paar Stunden vertrieben nach Trient, wo sie auf diese Nacht weg sind und Trient verlassen haben. Da sind alle Rebellen und was (an) Militär da war – denn es war ein ganzes Regiment Militär damals in Tirol gekommen -, in Trient mit größtem Jubel eingezogen und die Franzosen sind nach Rovereto und gegen Gartsee und gegen Verona gezogen. Da sind die Unsrigen bis Rovereto und in denen dort umliegenden Örter gezogen und besetzt und haben die Einwohner nicht zu wenig gequält und Schulden hinterlassen denen Ortschaften.“

WEITERE FAHNEN

Weiters befindet sich im Schießhaus die Kriegsfahne der Schützenkompanie vom Jahre 1848. Sie wurde vor dem Auszuge nach Riva, in der Pfarrkirche von St. Pauls geweiht. Diese Fahne erhielt die silberne Kriegsmedaille vom Jahre 1848, sodann im Jahre 1859 ein große silberne Medaille, welche der damalige Statthalter für Tirol, Erzherzog Karl Ludwig an jene 20 Schützenkompanien verlieh, die zuerst dem Rufe des Kaiser, gefolgt waren. Diese Fahne rückte im Jahre 1848 zum ersten Mal mit den Eppaner Schützen unter Hauptmann Johann Mayr, Maler, sowie unter Hauptmann Josef Tschöll von Girlan gegen die Aufständischen im Lombardo-Venetianischen Königreiche aus; im Jahre 1859 zog sie unter Hauptmann Franz Graf von Wickenburg und im Jahre 1866 unter Hauptmann und Oberschützenmeister Franz Mayr ins Feld. Zur neuen Schützenfahne vom Jahre 1901 war Patin Frau Fürstin Campofranco, die Tochter Erzherzog Heinrichs. All diese Fahnen waren noch im Besitze vieler, schöner Erinnerungsmedaillen. Diese drei Fahnen sind das kostbarste Gut der Schützen des Gerichtes Altenburg in Eppan, die in drei Kompanien von St. Michael, St. Pauls und Girlan, je unter einem ortsansässigen gewählten Hauptmann geführt, aber unter einem einheitlichen Kommando des Gerichtes Altenburg von 1703 bis 1866 ausrückten. Die Fahne vom Jahre 1901 rückte mit den Standschützen 1915 aus.

SCHIESSPROTOKOLLE UND EHRENSCHEIBEN

Zu den weiteren Kostbarkeiten gehören noch die Schießprotokolle vom Jahre 1722 an, die aber nur sehr unvollständig erhalten sind, sowie 58 teilweise wertvolle Ehren- und Gedenkschreiben, die größtenteils aus dem 19. Jahrhundert stammen und wovon manche Scheibe Dorf- und Burgansichten unserer Heimat zeigt, wie St. Pauls, St. Michael, Gandegg, St. Valentin, Heinsberg, Alt-Brandis bei Lana, eine Ansicht von Rom mit der Engelsburg und einer Gruppe Eppaner Schützen vor dem Dioskurentem-pel vom internationalen Schützentreffen in Rom im Jahre 1893, wo Karl Hirn, Max Pegger, Theodor und Anton Steinkeller, Josef Raferer, Anton Seebacher und Alois Äußerer teilnahmen. Manche Scheibe stammt aus Künstlerhand wie Albert Stolz, Claudius von Schraudolph, Siegfried Pertoll, Alois Zantanell, Anton Kaufmann u. a.

SCHÜTZENSTATISTIK ZUM JAHRE 1757

Mit welchem Eifer und mit welcher Hingabe die Eppaner Schützen sich im Jahre 1757 dem Schützenhandwerk widmeten, ersieht man aus folgender Zusammenstellung, wobei ich zwischen Klammern die Anzahl der Festschießen anführe, an welchen sich die einzelnen Schützen beteiligten. Insgesamt wurden im Jahre 1757 nicht weniger als 39 Festschießen ausgetragen, die ihren Höhepunkt im Monat Mai mit sieben Festschießen erreichten und während der Wimmzeit vom 16. September bis zum 23. Oktober ruhten. Folgende Schützen beteiligten sich:
Joh. Matth. Thalhammer von und zu Talegg (36); Anton Mayr, Müller (37); Anton Spiel (33); Matthias Malayer (31); Martin Pradlwarter (14); Josef Hueber (1); Anton Werth (31); Leonhard Wöth (1); Johann Moeden (22); der geistliche Rat Joseph Ignaz Gratl, Kaplan und Expositus in St. Michael (34); Anton Malayer (5); Peter Äußerer (10); Joh. Kieser (2); PeterTar-fueßer (5); Paul Frey (2); Anton Löschenprandt (11); Gregor! Oberhofer (3); Matthias Weger, Bäcker in St. Michael (13); Joh. Georg Ganser, Wirt am Weißen Rössl in Girlan (7); Anton Köl (4); Anton Wöth (2); Simon Fill (3); Josef Kößler (3); Joh. Tschaffler (5); Jakob Forstner (2); Josef Petermayr (3); Joh. Georg v. Perkhammer (1); Anton Scholling (1); Joh. Georg v. Mörl (1); Johann Kuenzwalder (3); Romanus Marin (2); Josef Kießer (7); Christoph Walcher (2); Joh. Werth (1); Josef Reißigl (2); Josef Wöth (2); Josef Werth (1); Thoman Niederist (1); Karl Marschall (2); Johann Wöth (3); Hans Flor (1); Peter Groß (6); Karl Wagmeister (1); Joh. Pollin (1); Johann Pliger (4); Richter und Pfleger Hans von Schrentenwein (11); Simon Kofler (1).

EINE ANDERE STATISTIK

Tirols Geschichtsschreiber Josef Egger berichtet, dass zu Ende des 17. Jahrhunderts der Widerwille gegen den Heeresdienst beim Tiroler Volke so stark ausgeprägt war und die Tiroler Bauernburschen eine solche Scheu davor hatten, dass sie sich in den höchsten Almen verliefen, um nicht Soldat werden zu müssen. In der Auseinandersetzung zwischen den Habsburgern, Frankreich und der Ottomanischen Pforte war es 1692 nicht einmal möglich, mehr als 1300 Soldaten in Tirol anzuwerben. Hohe Militärs äußerten sich noch im 18. Jahrhundert dahin, dass die Tiroler für den Militärdienst überhaupt unbrauchbar seien und in dieser Meinung bestärkten sie noch die Landstände, indem sie die Gebresten der Einwohner der einzelnen Talschaften Tirols verallgemeinerten und besonders hervorhoben. Die Ergründung der Tiroler Volksseele war nur ganz oberflächlich von den leichtlebigen Menschen des Barocks und des Rokokos erfolgt. Im täglichen Ringen des Tiroler Bauern um Scholle, Heimat und Glauben, in seiner tiefen Verbundenheit mit den höchsten Werten, welche der Abgeschlossenheit des bäuerlichen Lebenskreises entspringen, liegt auch ein Teil des Geheimnisses, das im Daseinskampf um die engere Heimatscholle selten, aber dann mächtig, wie eine erblühende Rosenknospe, der Umwelt das innere Wesen offenbart, immer dann, wenn die höchsten Güter von Glauben, Kaiserhaus und Heimat in Gefahr standen. Schon die behutsamen, aufklärerischen Reformen der großen Kaiserin Maria Theresia waren in Tirol auf starken Widerstand gestoßen; erst ihrem Sohne Joseph II und den Baiern blieb es vorbehalten, sie durchzusetzen. Dieser Widerstand, den die Landstände entgegensetzten, war weniger bedingt in der Verteidigung des bestehenden bäuerlichen Lebenskreises als vielmehr in der Gesellschaftsstruktur Tirols, die als Erbe des Mittelalters hier im Zeitalter des Barocks noch die schönsten Blüten entfaltete. Statistisch betrachtet, kamen im Kreise Bozen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf 128 Einwohner ein Adeliger und auf 109 Personen ein Geistlicher; in der Gemeinde Eppan war jeder fünfte Einwohner von Adel, während es in Nordtirol auf 1222 Einwohner erst einen Adeligen, in Oberösterreich sogar erst auf 1885 einen solchen traf. Die Gemeinde Eppan wies im Jahre 1780 eine Bevölkerungszahl von 2516 Einwohnern auf, darunter12 Grafen-, sechs Freiherrn- und 62 Edelfamilien mit zirka 480 Mitgliedern.

NEUES KRÄFTEVERHÄLTNIS

Nach dem Ende des österreichischen Erbfolgekriegs trat ein weltgeschichtliches Ereignis ein, das eine gänzliche Umgruppierung des europäischen Kräfteverhältnisses mit sich brachte; der jahrhundertealte Zwist zwischen dem Hause Habsburg und Bourbone wurde im Freundschafts- und Verteidigungsbündnis vom 1. Mai 1756 begraben. Ein großartiger Erfolg der österreichischen Diplomatie. Dieser Erfolg auf internationaler Ebene hatte für Österreich im Siebenjährigen Kriege (1756 bis 1763) nur geringe politische und militärische Auswirkung, da dieser für Österreich nur den Status quo ante mit Preußen bestätigte. Die reiche Provinz Schlesien blieb Österreich verloren. Der Krieg aber hatte als unmittelbare Folge, dass die österreichische Zentralgewalt besonders in den peripheren Kronländern gestärkt hervorging.
Die Teilnahme Tirols am Siebenjährigen Krieg war recht unbedeutend; Tirol war davon direkt nicht berührt worden, nur mussten die Tiroler Landstände, wenn auch mit großem Widerstreben, erhebliche finanzielle Opfer leisten. Von Begeisterung findet sich kaum eine Spur, die Verwahrlosung der Landesverteidigung war offensichtlich, wie es sich bereits im Jahre 1703 durch die Ausschreitungen, die Delikte gegen das Eigentum, durch Plünderung und Todschlag, ich möchte fast sagen ein anderes unbekanntes Antlitz Tirols zeigte. Um diese Desorganisation den Landständen begreiflich zu machen, konnte ihnen Graf Heister, der Enkel des Siegers vom Passe Strub, mit Fug vorwerfen, dass damals, im Jahre 1703, mehr durch die Ausschreitungen unorganisierter Landstürmer zerstört und vernichtet wurde als durch alle militärischen Maßnahmen zusammen. Zwischen dem Schützenwesen zur Zeit Kaiser Maximilians I. und jenem des 18. Jahrhunderts klafft ein Abgrund in jeder Hinsicht. Die freudige Hingabe und Willfährigkeit zu Kriegsdiensten für das Haus Österreich auch außerhalb der tirolischen Grenzen, in den Freiheitsfähnlein des 16. Jahrhunderts, war einer tiefen Abneigung gewichen. Heimat und Vaterland fiel mit dem engeren Begriffe Tirol zusammen und mit dem beschränkten Schütze, der aus dem Landlibell vom Jahre 1511 entsprang. Diese allgemeine Zeiterscheinung im Tiroler Volke um die Mitte des 18. Jahrhunderts kann man auch für das Gericht Altenburg in Eppan festhalten, wo dies während des Siebenjährigen Krieges besonders grell zutage tritt.

DER SCHATTEN DES SIEBENJÄHRIGEN KRIEGES

Wie wenig das Leben in Südtirol durch die äußeren Geschehnisse jenes gnadenlosen Weltkrieges, der unter allen Himmeln ausgetragen, berührt wurde, zeigt folgende Begebenheit aus Eppan, die in jene Epoche hineinfällt.
Am 6. Jänner 1758 wurde dem Schützenmeister Josef Matth. Thalhammer von Talegg, der schon seit Jahren dieses Ehrenamt bekleidet hatte, vom Gerichtspfleger auf Altenburg, Hans von Schrentewein, ein Befehl, datiert vom 1. Jänner 1758, eröffnet, dass sich 30 Scharf- und Scheibenschützen aus Eppan zu stellen und ehestens nach Innsbruck zu begeben haben. Der Schützenmeister ließ daher alle einrollierten Schützen zusammentrommeln und teilte ihnen den allerhöchsten Befehl mit und ermangelte dabei nicht, sie zu ermahnen, oder wie die Urkunde besagt „zu rüehmlicher als nottwendiger Dienstleistung böst-möglichist anzufrischen“.
Mit sichtlicher Bestürzung und Unwillen und mit mannigfaltigen Entschuldigungen lehnten die Schützen dies Ansinnen ab. „Worüber zwar die Schi-zen in zimblicher Anzahl erschienen, jedoch zu diesem Vorhaben sich nit entschließen khenen, sondern sich dahin entschuldigt haben, dass alle, oder doch die maisten, verheyrathen Standts und mit Hauswesen impedieret, volgsamb von Weib und Kindern und ihren wenigen Habschaften und Hauswesen sich nit entfehrnen khenten, minder einlaßen, den villeicht noch lang dauernden Krieg auszudienen und indessen all das Jhrige unbesorgt zu hinterlassen, der geströsteten Hofnung lebende, das so-thane ihre wahrhafte Entschuldigungsmotion zu keiner Ungnad werde aufgenomben werden.“ Dabei ist es geblieben und der Schützenmeister ermangelte nicht, „dem Pfleger allda zu nöthigen und schleunigen Berichterstattung parte zu geben“. Unterdessen aber, während die österreichischen und die verbündeten Heere in diesem zu einem richtigen Weltkrieg ausgearteten Streite auf den verschiedenen Schlachtfeldern verbluteten, erprobten und vergnügten sich die Schützen beim Scheibenschießen und die Landstände zeigten in Innsbruck die „kalte Schulter“ bei den Forderungen der kaiserlichen Kommissäre, die Maria Theresia hilfeflehend ins Land geschickt hatte.

UNRÜHMLICHER ZANK

Beim Dreikönigsschießen des Jahres 1763 war es zu Auseinandersetzungen unter den Schützen gekommen, wobei hauptsächlich Anton Spiel von St. Michael ungebührliche Worte gebraucht hatte. Das Schützenschiedsgericht, das aus den Kommissaren von Troyer, aus dem geistlichen Rat Josef Ignaz Gratl und aus Anton Mayr, Müller in Eppan, bestand und dem die Klage vorgebracht wurde, erkannte Spiel für schuldig und verurteilte ihn, er müsse als Genugtuung und Sühne drei Maß Wein und sechs Kreuzer Brot bezahlen.
Der Ton, der damals unter den Schützen herrschte, schreibt K. Th. Hoeniger im Alt-Bozner Bilderbuch, scheint manchmal eher rau als herzlich gewesen zu sein, um so mehr als zwischendurch auch das Brett- und Kartenspielen und das Weintrinken nicht vernachlässigt wurde. Aber derbere Scherze und Verstöße gegen die Schützenordnung wurden in Bozen wie auch in Eppan sofort gesühnt, wie obige Begebenheit zeigt und fleißig von dem im Jahre 1763 als Schützenschreiber aufgenommenen Johann Augustin Luggin, Glasermeister in St. Michael, aufgezeichnet.
Der für Österreich kurz darnach verhängnisvoll ausgehende Siebenjährige Krieg und der darauf folgende Friede von Hubertusburg von 15. Februar 1763 brachte im Inneren ein Erstarken der Zentralregierung im Sinne der Aufklärung, das sich dann für die Beziehung zwischen Tirol und Österreich vorteilhaft auswirkte, wie die Jahre 1796 bis 1809 dann bewiesen.

225 JAHRE MUSIKKAPELLE ST. PAULS

Am 14. Februar 1764, dem Vorabend vor dem Jahrtag des Friedens von Hubertusburg beschlossen die Eppaner Schützen zur schuldigen Danksagung „der in vergangenen kriegerischen Jahren dem werthen Vatterlandt verliehenen Rueh und Frieden, einen feierlichen Kirchenzug und Hochambt abzuhalten“, wobei sich alle Schützen schriftlich verpflichteten, daran teilzunehmen. Schwere Strafen bis zum Ausschluss aus den Schützenreihen drohte die „gesambte Schizzen-Vorstehung“ an, wer Zank, Streit und Unfrieden stifte und den Ablauf des Festes, bei der Prozession, beim Festschmaus oder bei der darauf folgenden großen Tanzunterhaltung störe. Bei diesem mit aller Umsicht organisierten Festzuge wirkte auch eine elf Mann starke Pfarrmusikkapelle mit, unterstützt von zwei Tambouren und einem Schwögelpfeifer. Dies dürfte die älteste Erwähnung einer ständigen Musikkapelle auf dem Lande überhaupt in Südtirol sein. Der Sitz der Pfarre der Gemeinde Eppan war damals in St. Pauls, daher können wir diese damals erwähnte Musikkapelle als solche für den ganzen Gemeindebezirk ansprechen. Die heute in der Gemeinde Eppan bestehenden Musikkapellen reichen für Girlan auf das Jahr 1741 zurück, während 1838 untertatkräftiger Mitwirkung des Seelsorgers Franz Xaver Giuliani, der im Cholerajahr 1836 in Girlan so vieles für die heimgesuchte Bevölkerung leistete, die Girlaner Musikkapelle reorganisiert wurde.
Jene von St. Pauls hat ihr Gründungsjahr 1764; jene von St. Michael, die auf meine Anregung eine der schönsten Streifenfahnen Südtirols besitzt, wurde im Jahre 1898 gegründet. Die Musikkapelle von Frangart hat ihre Geburtsstunde im Jahre 1978.
Die Erwähnung von Musikanten im Eppaner Gebiet fand ich für Girlan aus dem Jahre 1741, als „denen Musikanten wie observierlich vor der Ostermahlzeit 5 Gulden 45 Kr. gereichet wurden“. Die Schützen selbst hatten ständig bei jedem Freischießen einen Tambour und Pfeifer dabei, schon seit 1722. Der große Eppaner Festzug des Jahres 1764 wurde von einem elf Mann starken Klangkörper aufgelockert, der dabei eine „türkische Feldmusik“ spielte. Damit wurde ursprünglich die Militärmusik der Türken bezeichnet, deren Schlaginstrumente übernommen wurden. Das vollbesetzte Blasorchester bestand aus Holz-, Blas- und Blechblasinstrumenten mit Schlagzeug, d. h. die große und kleine Trommel, Becken, Tschinellen, Triangel, Lyra und Schellenbaum und wurde zum Vorbild der europäischen Infanteriemusikkapellen.

DER GROSSE FESTZUG

Aber lassen wir den Wortlaut der Urkunde in moderner Schreibweise folgen, in welchem dieser großartige, die typischen Merkmale und die Buntheit barok-ker Lebenshaltung aufweisende Festzug vom 15. 2. 1764 beschrieben wird:
„… die Abhaltung eines solemnen Schützenamtes und Aufzugs zu halten sich entschlossen, auch zu diesem Ende das heutige Datum ausersehen, also haben sich nebst dem anführenden Herrn Offizier, titl. Herr Elias von Franzin, 51 Herren Schützen nach Abfeuerung deren Polier gegebenen Signals um halb 8 Uhr Vormittag in dem k. k. Schießstand sich versammelt und haben zu einem allgemeinen Vergnügen und von sämtlichen Zusehern erhaltenen übergroßen Ehre und Ruhm nachstehenden Ausflug formiert und nachfolgendermaßen von da bis zu den anführenden Herren Offizieren und von dorten aus abmarschiert: 1. als zu vordrist des anführenden Herrn Offiziers drei Handpferde nebst zwei Bedienten; 2. zwei Fourierschützen, 3. zwei Zimmerleut, 4. zwei Tamboure und ein Pfeifer, 5. ein Vater Offizier nebst acht Grenadieren, 6. die vollkommene in 11 Pfarrmusikanten bestehende Musik, welche sich mittels Aufspielung einer türkischen Feldmusik allen Ruhm erworben, 7. Herr Regimentspater Ihro wohlehrwürden Herr Josef Ignatius Grätl und Feldchirur-gus Michael Hueber. Nach solchen folgte der anführende Herr Offizier zu Pferd. Nach diesem rev.mo titl. Herr Schützenmeister von Perkhammer und Herr Schrentewein mit ihren Scheiben-Röhren und Vater-Gewehren. Auf diese zwei folgte Herr Franz Jarer als Feldwebel, sodann die Hälfte der Gemeinde in schöner Kleidung samt Ober- und Untergewehr, samt einem schließenden Korporal. Auf diese folgte ein Wachtmeister, vor dem Herrn Fähnrich Dominico Tetter, die Schützenfahne tragend. Gleich darauf folgten abermals die Hälfte der Gemeinde nebst einem anschließenden Korporal. Und endlich machte den Schluss Herr Oberleutnant Leonhard von Call zu Fuß nebst zwei Handpferden. In obbeschriebener Ordnung dann ist man vom k. k. Schießstand unter Abfeuerung der Polier durch die Kapuziner-Gasse bis St. Anna und von dort aus durch das Dorf St. Michael bis nach St. Pauls in löbl. Pfarrkirche in schönster Ordnung und angenehmster Musik gezogen, in welcher Pfarrkirche dann auf dem Hochaltar mittels Aussetzung des hl. Altarsakraments und gegebenen hl. Segen ein solemnes Hochamt unter Trompeten- und Paukenschall feierlichst gehalten und das Te Deum laudamus unter Abfeuerung der Polier und Zusammenläuten der Glocken abgesungen worden, worunter alle Herren Offiziere und sämtliche Herren Schützen zweimal zum Opfer gegangen.
Nach Vollendung desselben ist man mit voriger Ordnung nach St. Anna und sodann nach dem k. k. Schießstand abmarschiert und alldort sämtliche Schützen entlassen, deren sich aber fast alle zu dem Sonnenwirt verfüget und das Mittagsmahl in aller Ruhe, Frieden und Vergnügtheit eingenommen, welche Tafel nicht nur allein von allen Herren Offizieren, Herrn Rgts.-Pater, Schützenmeister und Dreier, sondern sogar auch von Ihro hochw. Herrn Decano und Pfarrherrn zu St. Pauls, Herrn Joh. Math. Behm gezieret worden. Welches Speisen dann mit einer schönen Musik, der Nachmittag und Abend aber mit einem Ball von obbemelten 11 Musikanten bei titl. Herrn von Franzin geendigt worden. Bei dieser abgehaltenen Solemnität will also Herr Schützenmeister von Perkhammer jedermännig-leich bescheinigen ohne Verhalten, dass sämtliche Herren und Schützen sowohl bei dem Zug mittels gehabter schönen Kleidung und beobachteter guter Ordnung, in der Kirche mittels gepflogener Andacht, gegebener Auferbauung, zu allseitiger Verwunderung und Freude als auch in dem Wirtshaus mittels einer preiswürdigsten, friedfertigen Aufführung allen Ruhm, Ehre und Lob sich erworben und fürwahr des Namens eines auserlesenen Scheibenschützens sich würdig gemacht haben.“

EIN WEITERES SCHÜTZENFEST

Weniger aufwendig, aber trotzdem vorbildlich organisiert war dagegen der Festzug der Schützen gewesen vom Schießstand nach St. Pauls am 21. Februar 1754, im Fasching, an welchem sich 45 einrollierte Schützen mit ihren Ober- und Unteroffizieren und mit zwei Trommelschlägern und einem Schwögler sowie sechs Musikanten beteiligten, die trefflich Marschmusik spielten. Schon damals gab es nach dem feierlichen Hochamt in St. Pauls das Mittagsmahl beim Sonnenwirt in St. Michael. Dem Festumzug voraus kam die Musik, dann der Feldscher (Chyrurg) Franz Jarer, gefolgt vom Schützenhauptmann von Lanser, darnach der Fähnrich Josef Firler mit der Fahne. Der Feldpater Ignaz Inama hatte zur Seite Dr. Martin Minig und Leonhard Anton de Franceschi. Diesen folgte der Korporal und Schützenschreiber Jakob Salcher. Die 45 Schützen gingen paarweise mit ihren Scheibengewehren. Den Schluß bildete der Schützenmeister und Leutnant Josef Anton Daniel, Pfleger. Das Mittagsmahl und der Nachmittag war ausgefüllt mit Belustigungen, so dass man den Vorsatz fasste, öfters solche Feste zu feiern. Bis nachts beim Betläuten ist „der Fahn vor dem Fenster publice exponiert gewöst“.