Im Herbst 1934 ging Sepp Kerschbaumer mit einigen Freunden nach St. Pauls auf ein
Wiesenfest, das plötzlich in eine NS-Kundgebung ausartete. Die Folge war, dass 13 junge
Männer aus dem Überetsch verhaftet und zu 2−4 Jahren Verbannung verurteilt wurden. Der
damals 20-jährige Sepp Kerschbaumer wurde − ebenfalls wie sein späterer Schwager Heinrich
Spitaler − in die Nähe von Potenza verbannt. Von den ursprünglich 2 Jahren musste er
allerdings nur 1 Jahr dort bleiben, da Mussolini anlässlich einer Sitzung des Ministerrats in
Bozen 50 der zu diesem Zeitpunkt verbannten Südtiroler begnadigte.
Die Bedingung des zukünftigen Schwiegervaters, dass Sepp Kerschbaumer Maria Spitaler
heiraten dufte, war die Einwilligung, ihr das Haus und das Geschäft zu verkaufen. Er hatte
sich wohl aufgrund der politischen Leidenschaften Kerschbaumers Sorgen um die finanzielle
Situation der künftigen Familie gemacht. Kerschbaumer kam diesem Wunsch nach; nur eine
kleine Obstwiese behielt er für sich zurück.
Sepp Kerschbaumer und Maria Spitaler feierten gemeinsam mit Amalia Spitaler (die Bräute waren Schwestern) und Martin Oberrauch eine Doppelhochzeit. Das Ehepaar Kerschbaumer bekam in dem langen Zeitraum von 20 Jahren sechs Kinder, wobei die Mutter beim letzten bereits 46 Jahre alt war. Kerschbaumer war ein strenger Vater und erzog seine sechs Kinder extrem sparsam, manchmal fast geizig, während er der Allgemeinheit gegenüber sehr großzügig war. Um den Haushalt und die Kindererziehung kümmerte sich zum Großteil „die Basl Moidl“, Maria Mederle, eine Tante der Frau Kerschbaumer und die gute Seele des Hauses.
Die Doppelhochzeit feierten Sepp Kerschbaumer und Maria Spitaler gemeinsam mit Amalia
Spitaler (die Bräute waren Schwestern) und Martin Oberrauch. Von links: Antonia Spitaler
Eisenstecken, Mathias Eisenstecken, und rechts von den Brautpaaren Franz Spitaler. Vorne:
Amalia Mederle, Hartl (Richard) Spitaler, Kinder unbekannt, Franz Spitaler und Heinrich
Spitaler.
Sepp Kerschbaumer war ein strenger Vater und erzog seine sechs Kinder extrem sparsam, ja
manchmal fast geizig, während er der Allgemeinheit gegenüber sehr großzügig war.
Sepp Kerschbaumer fuhr täglich mit seinem Fahrrad oder dem Motorrad nach Bozen, um dort um fünf Uhr früh die hl. Messe zu besuchen. Anschließend arbeitete er im Geschäft oder in der Landwirtschaft.
Als er sich in den 50er Jahren immer mehr der Politik verschrieb, widmete er nur mehr sehr wenig Zeit seiner Familie und deren Lebensunterhalt. Schon damals musste seine Frau zusammen mit den älteren Kindern im wahrsten Sinne des Wortes „den Laden schmeißen“.
Normalerweise blieb er nur bis 9.00 Uhr im Geschäft oder auf seiner Apfelwiese. Die restliche Zeit war er im ganzen Land in politischen Angelegenheiten unterwegs, er schrieb Flugblätter und Leserbriefe und diskutierte mit Politikern. Häufig fuhr er auch nach Nordtirol, um sich mit den dortigen Freiheitskämpfern zu treffen.
die restliche Zeit war er, wenn er nicht
gerade auf seiner Wiese war, in politischen Angelegenheiten unterwegs. Um den Haushalt und
die Kindererziehung kümmerte sich zum Großteil „die Tant’ Moidl“, eine Tante der Frau
Kerschbaumer und die gute Seele des Hauses.
1939, als gerade das 2. Kind, Marialuisa, geboren war, stellte sich auch für die junge Familie
die schwere Frage der Option: Deutsch bleiben und ins Deutsche Reich auswandern − oder
in der Heimat bleiben und zu Italienern werden? Sepp Kerschbaumer setzte sich damals
energisch für die Auswanderung ein. Dass seine Familie letztendlich doch in Südtirol blieb, liegt an seiner Frau.
Sie war es auch, die ihren Mann dazu bewegt hat, seine
Freiwilligenmeldung zur Deutschen Wehrmacht rückgängig zu machen. Eine Zeitlang trug sich
Sepp Kerschbaumer sogar mit dem Gedanken, zusammen mit seiner jungen Familie nach
Dreizehnlinden in Brasilien auszuwandern, wohin auch sein Bruder Franz gezogen war. Aber
auch da stieß er bei seiner Frau auf taube Ohren.
So begeistert Kerschbaumer im Herbst 1943 beim Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in
Südtirol war, bis 1945 entwickelte er sich zum überzeugten Hitlergegner. Seiner Wehrpflicht
kam er schließlich beim Polizeiregiment Bozen nach, das im Belluno zur
Partisanenbekämpfung eingesetzt wurde.
Für Kerschbaumers Frau war es sicher nicht leicht, auf die Lebensführung ihres Mannes
Rücksicht zu nehmen. Er war er oft und lange in politischen Angelegenheiten unterwegs, kam
manchmal um Mitternacht heim und ging eine Stunde später schon wieder aus dem Haus.
Bereits das vorletzte Kind, der 1948 geborene Franz, kann sich an keinen einzigen
Familiensonntag erinnern. In der Familie wurde aus Prinzip nicht politisiert.