Das historische Gasthaus „Schenk“ war in den politisch heißen 50er und 60er Jahren ein Treffpunkt der Freiheitskämpfer des Befreiungsausschusses Südtirol (BAS). Hier berieten sich Sepp Kerschbaumer und seine Mitkämpfer, was sie gegen die Besetzung und Unterdrückung durch den italienischen Staat tun konnten und wie sie den künftigen Generationen ihre Heimat Tirol und die deutsche Kultur erhalten konnten.
Im Gasthaus Schenk wurden auch Vorbereitungen für verschiedene Sabotageakte und für die die Feuernacht am 11./12. Juni 1961 getroffen.
Die Stube des Strickerhofs der Familie Kasseroler war ebenfalls ein Treffpunkt der Freiheitskämpfer des Befreiungsausschusses Südtirol (BAS). Da Sepp Kerschbaumer keinen Führerschein und kein Auto hatte, fungierte Sepp Kasseroller auch als dessen Chauffeur.
Nach der Folterung und Inhaftierung der Südtirol-Aktivisten wurden die Familien u.a. auch durch den Erlös des Preis-Perlaggens (ein Tiroler Kartenspiel) unterstützt, das in diesem Haus abgehalten wurde.
Wenn Sepp Kerschbaumer nach jahrelangem politischem Einsatz Bilanz zog und sich die
Frage stellte, was Flugblattaktionen, Rundschreiben und Briefe, Gerichtsverfahren, Haft und
Hungerstreiks gebracht hatten, so war das Resümee wohl ernüchternd. Für ihn und seine
engsten Mitstreiter wurde schließlich klar: Wollte man in der Südtirolpolitik eine Wende
erreichen, musste zu Sprengstoff gegriffen werden. Die Änderung dieser Strategie war die
Folge eines langen Reifungsprozesses.
Als erstes musste der Befreiungsausschuss Südtirol straffer gegliedert und so ausgebaut
werden, dass es in allen Landesteilen möglichst viele Ortsgruppen gab. Der BAS blieb
weiterhin eine Gesinnungsgemeinschaft, von der einzelne Männer ständig mit Sepp
Kerschbaumer und dem Nordtiroler Kurt Welser Kontakt hielten. Wenn jemand nicht mehr
mitmachen wollte, weil ihn die Illegalität belastete, konnte er ungehindert auszusteigen.
Umgekehrt scheint das Anwerben neuer Aktivisten leicht gewesen zu sein − zu groß war
damals der politische Druck, das Verhalten der Behörden war empörend, und die italienischen
Medien hetzten gegen alles Deutsche.
Viele Treffen fanden im Gasthaus Schenk in Frangart statt, auf dessen Wirtsleute, das Ehepaar
Hatzinger-Schlechtleitner, er sich hundertprozentig verlassen konnte.
Dem BAS war klar, dass er eine groß angelegte Aktion nur mit Hilfe aus Österreich durchziehen
konnte. Es brauchte Geld, Sprengstoff, Zündschnüre, Zeitzünder, Sprengkapseln und vor
allem das Know-how. Das Ganze ins Rollen kam, als Kerschbaumer in Frangart Besuch von
drei Österreichern bekam: dem Publizisten und Volkskundler Wolfgang Pfaundler; dem
späteren Generalintendanten des ORF Gerd Bacher, und dem Verleger und Diplomaten Fritz
Molden.
Bald schon wurden in Österreich auch Heinz Klier, Kurt Welser, Helmuth Heuberger
und der Landesrat Aloys Oberhammer mit einbezogen. In der Folgezeit wurden 3 bis 4 Tonnen Sprengstoff mit Zubehör nach Südtirol geschmuggelt und in Bayern, in Nord- und Osttirol
Lehrgänge zum Sprengen abgehalten.
Auf den Bildern Herlinde Molling mit dem Karmann Ghia, mit dem von ihr und Kurt Welser
Tonnen von Sprengmaterial nach Südtirol gebracht wurden; und Luis Amplatz beim
Vorbereiten einer Sprengladung
Der Wunsch nach Selbstbestimmung und nach der Rückkehr Südtirols zu Österreich stand
damals für den BAS außer Diskussion. Vielmehr stand aber die Frage im Vordergrund, was
möglich war. Mit der Frage „Autonomie oder Selbstbestimmung?“ beschäftigte sich auch die
SVP bei ihrer außerordentlichen SVP-Landesversammlung am 7. Mai 1960.
Dabei griff u.a. Sepp Kerschbaumer am Rednerpult den Parteiobmann Silvius Magnago wegen seiner zu
laschen Haltung an und befürwortete klar die Selbstbestimmung. Umso enttäuschter war er
von Abstimmungsniederlage und er nahm schriftlich Abschied von der SVP. Mit seiner
Rücktrittsdrohung war es Magnago nämlich gelungen, die Autonomielinie der SVP zu halten.
Ende November 1960 kam es zu einer Aussprache von Sepp Kerschbaumer und dessen
Mitstreitern Karl Tietscher und Jörg Pircher mit dem österreichischen Außenminister Bruno
Kreisky (SPÖ) in dessen Wiener Privatwohnung. Die Südtirolaktivisten scheinen einen recht
guten Eindruck auf Bruno Kreisky gemacht zu haben, da er sie später als „integre, ehrliche,
knorrige Typen“ bezeichnete. Kreisky war ebenfalls wie der Nordtiroler Landeshauptmann
Eduard Wallnöfer in die Vorhaben des BAS eingeweiht.
Innerhalb der Südtiroler Freiheitskämpfer gab verschiedene Ausrichtungen: Einmal die
Gruppe um Sepp Kerschbaumer, die nie mit Waffen gearbeitet hat, dazu gehörten z.B. ein
Sepp Mitterhofer, Josef Fontana, Jörg Pircher, Sepp Innerhofer und all die anderen aus
dieser Richtung, – und dann die Freiheitskämpfer, die davon überzeugt waren, dass es
Waffen absolut brauche, und sei es zur eigenen Verteidigung.
Zu diesen gehörten zum Beispiel Jörg Klotz, Luis Amplatz, Luis Larch, die Pusterer Buabm und all die anderen aus
diesem Lager.
Allen gemeinsam war ihnen, dass sie mit Sprengstoff arbeiteten und hauptsächlich Masten
sprengten, aber es gab auch Anschläge auf Rohbauten, auf die faschistischen Beinhäuser
und auf andere faschistische Relikte oder italienische Symbolbauten.
Die Beziehungen zwischen den BAS-Aktivisten südlich und nördlich des Brenners waren nicht
immer ungetrübt. Die wesentlichen Gründe dafür lagen nicht nur in den unterschiedlichen Charakteren von Sepp Kerschbaumer und Wolfgang Pfaundler: Während Pfaundler glaubte,
dass es an der Zeit sei, auch zur Waffe zu greifen, stand das für Kerschbaumer zu jedem
Zeitpunkt absolut außer Diskussion. Außerdem war man nördlich des Brenners der Meinung,
dass man an einem Tag X groß losschlagen müsse, während man hierzulande eher die „Taktik
der „kleinen Nadelstiche“ vertrat.
Anfang 1960 wurden von BAS-Mitgliedern Objekte mit Symbolcharakter angegriffen: Josef
(Peppi) Fontana sprengte die unbewohnte Villa Tolomei in Glen und ital. Volkswohnbauten in
der Reschenstraße, Jörg Pircher Volkswohnbauten in der Rossinistraße in Meran und Luis
Amplatz im Sarntal. Für all diese Attentate übernahm Sepp Kerschbaumer später vor Gericht
die Verantwortung.
Das Sprengen des Aluminium-Duce vor dem E-Werk in Waidbruck und das Verteilen von
Flugzetteln Ende Jänner 1961 wurde hingegen unter der Regie der Innsbrucker durchgeführt.
Die Folge waren richtiggehende Strafexpeditionen der italienischen Polizei: Mehr oder weniger
alle Männer, die irgendeinmal politisch in Erscheinung getreten waren, erhielten
Hausdurchsuchungen bzw. wurden für Stunden oder Tage festgehalten.
Ende März 1961 gab es wieder ein Treffen in Frangart, bei dem geplant wurde, anlässlich der
groß angelegten 100-Jahr-Feier der Einigung Italiens auch in Südtirol symbolträchtige Zeichen
zu setzen: Es folgten Anschläge in Tramin, in Schlanders und auf die Hochdruckleitung in
Marling. Am 20. Mai 1961 holte die Gerichtsbehörde zum Gegenschlag aus und es folgte eine
ganze Reihe von Verhaftungen.